BERUFSSTÄNDISCHE ORDNUNG -
ENTWICKLUNG DER IDEE BEI JOHANNES MESSNER


ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSWORT DER ARBEIT

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(Padre Alex - Vizeoffizial Mag. Mag. Dr. Alexander Pytlik)


Die vorliegende Arbeit stellt den Versuch dar, einen Beitrag zur Geschichte der katholischen Soziallehre zu leisten. Konkret ging es um die Entwicklung eines katholisch-sozialen Ordnungsbildes bei Johannes Messner (1891 - 1984), dem führenden sozialrealistischen Sozialwissenschaftler Österreichs, und damit in untrennbarem Zusammenhang um seine Rolle insbesondere vor dem II. WK.

Zunächst wird kurz den Anfängen der Idee der berufsständischen Ordnung im österreichischen Sozialkatholizismus nachgegangen. Während beim massiv kapitalismuskritischen Karl v. Vogelsang eher die romantischen Einflüsse dominieren dürften, sollten die volksständischen Vorstellungen Franz M. Schindlers noch mehr an die bestehende gesellschaftliche Wirklichkeit anschließen. Schindlers Interpretation Vogelsangs von einem Ordnungsdenken her forderte keinen prinzipiellen Antikapitalismus.

In der Folge behandelt die Arbeit Richtungen der katholischen Soziallehre in Österreich und ihre Auffassungen der berufsständischen Ordnung. Dabei ergab sich eine grobe Zweiteilung in die romantisch-konservativen Grundrichtungen einerseits und die führende sozialrealistische Grundrichtung der "katholischen Mitte" bzw. des Solidarismus andererseits. Die romantische Strömung schloß nicht nur in ihrer Weise an Vogelsang an, sondern war auch weitgehend von der marxistischen Arbeitswertlehre beeinflußt. Als radikaler Nachfolger Vogelsangs gab sich Anton Orel (Oeconomia perennis!) mit seiner Idee eines antikapitalistischen, monarchischen Ständestaates und einer sozialistischen Ständeordnung. Karl Lugmayer, der einen ähnlichen laboristischen Ordnungsansatz pflegte und in der Christlichen Arbeiterbewegung wirkte, sah in den mit der Arbeit am gleichen Naturstoff gegebenen Berufsständen die nächsthöheren Gemeinschaften nach der Familie, durch welche jeder Arbeitnehmer in geordneter Weise bei den ihn betreffenden Fragen mitentscheiden können sollte. Die berufsständische Ordnung war für ihn keine politische Ordnung, das Wahlrecht und auch die Gewerkschaften sollten bestehen bleiben. Als romantische Richtungen werden noch Joseph Eberle (Schönere Zukunft) und Ernst Karl Winter (Methodendualismus) angeführt. Einen gewissen Kompromiß und eine Abschwächung ihrer Gegensätze zur kirchlichen Soziallehre gemäß den Enzykliken RN und QA suchten diese Richtungen im "Katholisch-sozialen Manifest" (1932), das aber lediglich die Willensäußerung einer Studienrunde katholischer Soziologen blieb.

Die von führenden katholischen Sozialwissenschaftlern auch kritisch in Frage gestellte universalistische Richtung Othmar Spann stand für den Primat der Ganzheit. Zur Begründung des Begriffes "Stand" diente das im Stand sich handelnd verwirklichende Geistige und nicht die Leistungsverbundenheit. Es ergab sich eine Gliederung der Ganzheit in geistige Teilganze (Religion, Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Sinnlichkeit) und eine hierarchische Ordnung nach "Rangständen", die im "Höchststand" Staat ihre Spitze haben sollte. Der idealistische Universalismus schien so den Ausschluß jeder Demokratie-Art zu bedeuten und diente nicht zufällig der zumeist italofaschistisch orientierten Heimwehr als Ideologie, welche im "Ständestaat" Österreich zumindest bis 1936 eine wichtigere legale Strömung darstellte.

Zur Hauptrichtung der Sozialrealisten zählten in Österreich u. a. Ignaz Seipel, Josef Dobretsberger, Richard und Hans Schmitz, Bischof Sigismund Waitz, Franz Zehentbauer, Ferdinand v. Westphalen und vor allem Johannes Messner. Die in Österreich 1927 gegründete "Katholische Aktion" sollte nach den Richtlinien des Episkopates auf der Basis der Grundprinzipien des christlichen Solidarismus Einheit in allem Grundsätzlichen der sozialen Frage und somit zwischen den verschiedenen Richtungen schaffen. In organisatorischer Hinsicht wurde diese Richtung auch vom "Volksbund der Katholiken Österreichs" vertreten.

Die Arbeit behandelt im Anschluß Johannes Messners sozialwissenschaftliches Wirken und seinen Einfluß auf die Entwicklung der katholischen Soziallehre in Österreich bis 1933. Spätestens seit den Hinweisen seines Moraltheologieprofessors Waitz auf die Bedeutung der Sozialordnung und dem Kennenlernen des Schindler-Buches über die soziale Frage wußte er um den Sinn einer organisch an Bestehendes anschließenden "ständischen Ordnung". Adolf Weber, Theodor Brauer und auch Heinrich Pesch wiesen diesbezüglich für Messner den richtigen Weg von der unumstößlichen Tatsache der Arbeitskooperation als sittlicher Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft aller Glieder der Sozialwirtschaft zu einem entsprechenden Begriff des Berufsstandes, der zwischen Individuum und Staat eine gesellschaftliche Ordnungsfunktion übernehmen sollte, insbesondere beim Wettbewerb, unter Beibehaltung der natürlichen Rechte des Privateigentums und der Privatinitiative. Mit seiner Habilitation "Sozialökonomik und Sozialethik" (1927) bewies Messner die Fähigkeit zu einer eigenständigen Position innerhalb der solidaristisch-sozialrealistischen Schule. Außer für das spätestens seit 1929 klar vertretene, dem Subsidiaritätsprinzip zugehörige Korporationsprinzip setzte sich Messner u. a. im Mai 1933 in einem von Dollfuß gebilligten Verfassungsreform-Kreis katholischer Sozialphilosophen entschieden für das Paritätsprinzip ein, was zu einer Kontroverse mit dem Spann-Schüler Philipp Bugelnig führte, der dieses als unständisch ablehnte und durch den Hierarchiegedanken ersetzt sehen wollte. Die österreichischen Bischöfe berücksichtigten bei ihrer "Sozialverkündigung" zweifellos die wissenschaftlich fundierte Linie Messners, sicher nicht nur beim Sozialhirtenbrief des Jahres 1925, sondern bis 1938. Messner übersah nie, daß die Gesellschaftsordnung um so beständiger sein werde, je mehr sie die Tatsache berücksichtige, daß der zur Freiheit geschaffene Mensch "in sich die Wunde der Ursünde" trage, "die ihn ständig zum Bösen treibt und erlösungsbedürftig macht. Diese Lehre ... besitzt auch einen großen hermeneutischen Wert, weil sie die Wirklichkeit des Menschen begreifen hilft."(1)

Im IV. Kapitel "Berufsständische Ordnung, 'Ständestaat' und Johannes Messner (1933 - 1938)" beginnt die ausführliche Behandlung der größeren Werke Messners, so zunächst der "Sozialen Frage" mit ihren vier Auflagen in den Jahren 1933/34. Im großen und ganzen waren darin bereits die berufsständischen Grundlinien seiner "Berufständischen Ordnung" (1936) zu erkennen. "Der Berufsstand ist die Gemeinschaft derer, die durch das Zusammenwirken an einer im gesellschaftlichen Leistungsorganismus zu vollbringenden Leistung verbunden sind. Die Teilnahme an einer bestimmten gesellschaftlichen Funktion begründet somit die Zugehörigkeit zu einem Stande, die Art der Mitwirkung an der gemeinsamen Funktion, ob in leitender oder abhängiger Stellung, ist für die Standeszugehörigkeit nebensächlich."(2)

Dollfuß hat seinen Zugang zur ständischen Idee hauptsächlich über die christlichsozialen Traditionen und die Enzyklika QA gefunden, deren Sinn ihm durch die führende katholisch-soziale Richtung, also auch von Johannes Messner, vermittelt wurde. Insbesondere beeindruckte Dollfuß die SF. Er und sein Nachfolger Schuschnigg zogen Messner als Berater des berufsständischen Aufbaues heran. Am 30. April 1934 vertrat Johannes Messner den Bundeskanzler in seinem Auftrag sogar persönlich auf der katholisch-sozialen Tagung, um mit dem Referat "Der Staatswille des katholischen Österreich" die Interpretation seiner Gedanken zu übernehmen. Ein Indiz für den stärkeren Einfluß der sozialrealistischen Berater Dollfuß' bei der Verfassungsreform scheint die harte Verurteilung der Maiverfassung durch O. Spann und das Fehlen des Begriffes "Ständestaat" zu sein. Auf Wunsch von Bundeskanzler Schuschnigg gab Messner außerdem von 1936 bis 1938 die "Monatsschrift für Kultur und Politik" heraus. Bereits 1935 wurde er Professor für Ethik und Sozialwissenschaften in Wien. Im Juli 1938 mußte sich Messner der Verhaftung durch die Nationalsozialisten schließlich mit seiner Flucht aus Österreich entziehen.

Seiner Begeisterung über den ermordeten Dollfuß und seiner begründeten Hoffnung bezüglich des österreichischen Staatsexperimentes verlieh Messner in einem Büchlein Ausdruck. Der Bundeskanzler wurde als wahrer Führer dargestellt, der bei allen Stationen und Phasen seines Weges in Österreich von Messner ein sehr gutes Zeugnis erhielt. Dieses reichte von der "Selbstausschaltung" des Parteienparlamentarismus bis zum Bürgerkrieg mit allen seinen Folgen und zur neuen Verfassung. Von Vogelsang und Seipel zog Messner die Linie zu Dollfuß, der um das Zentralproblem Einheit - Freiheit rang und in Treue zu QA seinen Weg gegangen sei. Obwohl Messner Dollfuß z. B. auch wegen seines Titelwunsches für die Zeitschrift "Der Christliche Ständestaat" kritisieren hätte können, vermied Messner jede Kritik.

Messner war sich des problematischen Erfolgsdruckes bei der Verknüpfung des österreichischen Weges mit der Sozialenzyklika QA bewußt. Er hat nicht übersehen, daß sie nur die grundsätzliche Seite einer berufsständischen Ordnung der Gesellschaft im Auge hatte. Aber Seipels eher verengende Interpretationen der Enzyklika waren innerhalb des politischen Katholizismus zu Beginn der dreißiger Jahre von solchem Gewicht, daß auch Messner bei ihnen keinen direkten Widerspruch zu QA herausstellte. Und so scheint er eine die Regierungen Dollfuß und Schuschnigg stützende Interpretation mitgefördert zu haben. Das Dollfußbuch allein konnte zudem aufgrund eines gekürzten Seipel-Zitates das Mißverständnis fördern, daß Messner in der berufsständischen Ordnung für die Parteien keinen sinnvollen Platz mehr sehen konnte bzw. die Parteien als Not-Zwischenglieder durch die naturrechtlich vorgezeichneten Berufsstände ersetzt würden. Erst mit der BO 1936 scheinen sich diese Ausführungen zugunsten der generellen Möglichkeit des Weiterbestandes von Parteien geklärt zu haben.

Der Ausdruck "Ständedemokratie" entsprach von Anfang an seinem Ansatz, weil dadurch die Scheidung des staatlichen und gesellschaftlichen Bereiches gemäß QA besser hervortreten würde. Auf der Internationalen Konferenz über die berufständische Ordnung im Rahmen der Sozialen Woche 1935 in Wien sah sich Messner aber wiederum gezwungen, vor allem ausländische Kritik an einer gemäßigten ständestaatlichen Diktatur unter Berufung auf den verstorbenen Dollfuß, der sich in einem Gespräch mit Messner gegen einen Faschismus (italienischer Prägung?) ausgesprochen hatte, zurückzuweisen. Auch die Einheitsgewerkschaft verteidigte er mit der naturrechtlich entscheidenden, weiterbestehenden Möglichkeit der Erreichung des Rechtszweckes. Messner stand also einerseits loyal auf dem Boden des österreichischen Staates, ließ aber andererseits eine universalistische oder faschistische "Totalkürzung" des demokratischen Prinzips nie gelten - Elemente der demokratischen Entwicklung von unten, ja ein Mitbestimmungsrecht des Volkes in der Gestaltung seines Gemeinwesens war mit seinem Verständnis eines autoritären und eben nicht totalen Staates vereinbar. Dieses organisatorisch nicht festgelegte Mitbestimmungsrecht war für ihn "Demokratie in ihrem überzeitlichen Sinne"(3).

In der vorliegenden Arbeit ist das Hauptgewicht auf Messners wissenschaftliches Hauptwerk "Die berufständische Ordnung" (1936) gelegt, das in sechs großen Kapiteln diese Ordnungsidee u. a. ins Verhältnis zur staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung setzte. Messner verstand sein Werk nicht als fertigen Bauplan, sondern als Herausarbeitung von Wirkgesetzen für ein völliges Neuland der Gesellschaftswissenschaft und -reform. Für Messner hatte es noch kein Beispiel für eine wirklich berufsständische Ordnung gegeben. Bei allen Überlegungen war ihm wichtig: "Staat ist die auf die Verwirklichung der Gemeinzwecke gerichtete Gemeinschaft des Staatsvolkes; Gesellschaft sind die auf die Eigenzwecke der übrigen innerstaatlichen und überstaatlichen Lebenskreise gerichteten Gemeinschaften."(4) Gesellschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse waren für ihn völlig unvereinbar mit dem berufsständischen Gedanken, der Berufsstand beruhe auf der Zuordnung gesellschaftlicher Leistungen, nicht jedoch wie der Herrschaftsstand auf Vorrechten kraft politischer Aufgaben. Der beruflichen Leistungsgemeinschaft komme sowohl eine Verantwortung nach der Seite der Gesamtgesellschaft als auch nach der Seite seiner Glieder zu. Der Berufsstand war für Messner "Körperschaft öffentlichen Rechtes", bei welcher die für alle Glieder verbindliche Ordnung und die Ordnungsgewalt auf eigenem Rechte der Verbandsperson beruhten. "Die Austragung von Interessengegensätzen bleibt in der ständischen Gesellschaft immer eine Frage des Wirksamwerdens der bestehenden Ordnung, die sich an der friedlichen Ausgleichung dieser Gegensätze zu bewähren hat."(5) Berufsständische Ordnung sei nicht nur ein System von Bindungen, die gliedlichen Leistungsgemeinschaften seien auch die besten Anwälte ihrer Freiheitsrechte, auch jener des Einzelmenschen. Die ständische Gesellschaft werde durch Vermeidung negativer Einflüsse des regellosen Wettbewerbs, des Klassenkampfes und des politischen Parteienkampfes im Gegensatz zur individualistischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts verhältnismäßig beständiger und gefestigter sein, ohne jedoch die bewegenden Kräfte der schöpferischen Freiheit auszuschalten.

In vielen Fragen trat Messner dem Spannschen Universalismus kritisch gegenüber, u. a. bei der Vereinbarung von berufsständischer Ordnung und Demokratie. Die Demokratie könne weder im Namen der ständischen Ordnung verworfen noch durch ständische Selbstverwaltung einfach ersetzt, also auch nicht mit der letzteren gleichgesetzt werden. Nebensächlich war für Messner jedoch die Frage, ob die Teilnahme des Staatsvolkes (aller Staatsglieder) an der Gestaltung und Verwaltung seines staatlichen Gemeinwesens durch unmittelbar gewählte Vertretungskörper erfolge oder vermittels ständischer Vertretungskörper. Messner stand aber damit immerhin gegen jegliche totalitäre Tendenzen im "Ständestaat". Den Begriff "Ständestaat" interpretierte Messner 1936 in solcher Weise, daß er mit seinem Ordnungsbild vereinbar war. Trotzdem hat er ihn nie ohne Vorbehalt verwendet und auf die Fehlformen "Identifizierung von Staat und Gesellschaft" bzw. "reiner Korporativismus" hingewiesen.

Berufsständische Ordnung war für ihn weder unmittelbar staatliche noch wirtschaftliche Ordnung, sondern gesellschaftliche mit Rückwirkungen auf staatliche und wirtschaftliche Ordnung. "Berufständische Ordnung schließt kein Wirtschaftssystem ein, ... weil sie verschiedenen Wirtschaftsweisen die rechte Ordnung geben kann."(6) Ein eigener "dritter" Weg wurde von Messner nie vorgeschlagen, auch keine bloße Mischung oder die Nachahmung geschichtlicher Formen. Es sei von höchster Wichtigkeit, daß die Wirtschaft ihrer naturgemäßen Ordnung zugeführt werde, weil durch sie die zerstörenden Kräfte des Individualismus im ganzen Gesellschaftskörper am stärksten wirksam geworden seien. Es ging um die Aufgabe, "der kapitalistischen Wirtschaftsweise die rechte Ordnung zu geben" (vgl. QA 101). Dem Staat eignete für Messner ein Primat gegenüber der Wirtschaft, aber wiederum nur nach der objektiven Norm des Gemeinwohls. Verantwortung und Kontrolle waren für Messner bei der Ordnung des Wettbewerbs die beiden entscheidenden Pole. Die berufsständische Ordnung habe sowohl für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs zu sorgen als auch für dessen Bindung an die Gemeinwohlnorm.

Klassengesellschaft und Klassenkampf bedeuteten für Messner, daß die wirtschaftlichen Interessengegensätze nicht mehr den Kräften der Gemeinschaftsordnung (soziale Gerechtigkeit) und der Gemeinschaftsverbundenheit (soziale Liebe) unterstellt seien. Zunächst müsse also dem Rechte seine Ordnungsfunktion wieder gegeben werden, "es müssen also die Interessengegensätze auf den Ausgleich im Rechtsgedanken verpflichtet werden. Weiters muß die Gemeinschaftsverbundenheit im Arbeitsleben wieder wirksam werden, es müssen also die gegensätzlichen Interessen zur Unterordnung unter das ständische und staatliche Gemeinwohl gehalten sein."(7) Dies sei die Aufgabe der berufsständischen Ordnung auf wirtschaftlich-sozialem Gebiet. Die gesellschaftliche Eingliederung und Entproletarisierung der Arbeiterschaft müsse über die wirtschaftliche Existenzsicherung (u. a. Nebenerwerbssiedlung) und die soziale Gleichberechtigung (paritätische Ausschüsse, Tarifgemeinschaft) erreicht werden. Berufsständische Ausschüsse waren für Messner Organe der Berufsstände, nicht die Berufsstände selbst. Für ihn behielten die sozialen Selbsthilfeorganisationen (Gewerkschaften) selbst in einer voll durchgebildeten berufsständischen Ordnung (= "Endzustand") eine Bedeutung, wenn auch unter Änderung ihrer Rechtsstellung und ihres Aufgabenbereiches. "Fest steht grundsätzlich jedenfalls, daß an sich öffentlich-rechtliche Stellung nur den berufständischen Körperschaften zukommt"(8). Für die Übergangszeit zeigte sich Messner flexibel.

Wenn auch die Betriebe im Hinblick auf das unmittelbarste Erleben der Gemeinschaftsverbundenheit als Zellen des berufsständischen Aufbaues angesprochen werden konnten, so betonte Messner, daß das Schwergewicht der Ordnungsfunktion bei der beruflichen Gesamtgemeinschaft liegen müsse. Dies erfordere der ganze Sinn der berufsständischen Ordnung als der Gliederung nach gesellschaftlichen Leistungsgemeinschaften. Auch die drohenden größeren Unterschiede im einzelnen Wirtschaftszweig und die Nachteile eines Ausgleiches der naturnotwendig immer neu entstehenden wirtschaftlichen und sozialen Gegensätzlichkeiten auf der Ebene des Einzelbetriebes sprachen für Messner gegen die Verlagerung der Ordnungsfunktion auf den Betrieb. Nur so könne im Betrieb der Gemeinschaftsgedanke Fuß fassen.

Die ständische Gesellschaftsordnung sei letztlich auch Wurzelboden jenes wahren Konservativismus, der sich den echten Kulturwerten und den naturgebotenen Ordnungen des Lebens von Volk, Staat und Gesellschaft verpflichtet wisse. "Die berufständische Gliederung des Volkes soll die gemeinschaftsformenden Kräfte im ganzen Volkskörper von der beruflichen Leistungsverbundenheit her wirksam machen, in der es seine Lebens- und Kulturaufgaben erfüllt."(9)

In die Zukunft wies bei Messner bereits (1938) die realistische Erkenntnis, daß sich u. a. das berufliche (korporative) Aufbau- bzw. Gliederungsprinzip nicht immer mit gleicher Klarheit ausprägen werde. Der ständisch zu ordnende Bundesstaat Österreich war für ihn aber nicht nur wegen der Notlage eine politische Option, sondern auch wegen der nicht völlig unberechtigt erhofften Möglichkeit, daß der neue Staat schon nach wenigen Jahren wirklich den Namen "Ständedemokratie" verdienen würde. Am "Papier" der österreichischen Verfassung kamen jedoch für Messner schon 1938 die wahren demokratischen Prinzipien voll zur Geltung.(10)

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich noch mit der Thematik aus der Sicht Messners und anderer (über ihn) nach 1945. Messner hatte in englischen Exil die Möglichkeit, noch mehr auch positive Seiten des empirischen Ansatzes und die Bedeutung des Experimentes kennenzulernen.(11) Er hielt auch nach dem II. WK an der berufsständischen Ordnung fest, nannte sie aber nicht mehr ausschließlich so, sondern z. B. "soziale Demokratie". Aber die Fortentwicklung lag nicht nur in der Begrifflichkeit, sondern auch in einer noch deutlicheren Herausstellung der geschichtlichen Faktoren bei der Ausprägung einer naturrechtlichen Ordnung der Gesellschaft. Natürlich ergaben sich etwas andere Akzente bei der Sicht der Parteien und einer Einheitsgewerkschaft von oben; der vor 1945 bereits grundgelegte soziale Pluralismus konnte ausgebaut werden. Weiterhin stellte er die Unterschiede zwischen modernem und mittelalterlichem System beruflicher Organisation heraus. Weil im ganzen Wesen der berufsständischen Ordnung der vorgezeichnete Weg vom Klassenkampf zur Sozialpartnerschaft läge, und zwar auf volkswirtschaftlicher Ebene, in den Wirtschaftszweigen und Betrieben, deshalb stellte Messner heraus: "Die berufsständische Ordnung wäre das System der allseitigen Sozialpartnerschaft."(12) 1964 konnte Messner auf der Basis der Enzyklika MM noch die ungeschwächte Stellung der berufsständischen Ordnung in der katholischen Soziallehre herausstreichen - später scheint die kirchliche Sozialverkündigung eine gewisse Vorliebe für Korporationen aufgegeben zu haben, nicht jedoch das Gemeinwohl-, Subsidiaritäts-, Solidaritäts- und auch das Paritätsprinzip. Messner konnte im Wandel seines Denkens tatsächlich die gedankliche Verbindung der berufsständischen Ordnung zu einer darin immer enthaltenen allseitigen Sozialpartnerschaft herstellen. Messner hat jedoch offensichtlich nie bloß das österreichische Modell angezielt, sondern eine umfassende Sozialpartnerschaft mit einer Gliederung des volkswirtschaftlichen Leistungskörpers in Leistungsgemeinschaften als den Primärverbänden im Verhältnis zu den Interessenorganisationen, wenn auch nie als starres Sozialkonzept. Der bleibende Kern der berufsständischen Ordnung liegt also vor allem im Prinzipiellen. Der berufsständische Gedanke Messners hat in diesem Sinne nicht an Aktualität verloren, auch er wollte - wie die letzte päpstliche Sozialenzyklika CA (1991; Nr. 49) fordert - durch Familie und andere gesellschaftliche Zwischenkörper spezifische "Solidaritätsnetze" auf allen Ebenen aktivieren. Ein weiteres Hauptanliegen kann mit CA im Sinne Messners festgehalten werden: "Es geht ... um eine Gesellschaftsordnung der freien Arbeit, der Unternehmen und der Beteiligung. Sie stellt sich keineswegs gegen den Markt, sondern verlangt, daß er von den sozialen Kräften und vom Staat in angemessener Weise kontrolliert werde, um die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Gesellschaft zu gewährleisten."(13) Für Messner führte die berufsständische Ordnung mit ihren solidarischen Berufsgemeinschaften auch aus der Kulturkrise - er leistete einen wesentlichen Beitrag zur Berufsethik. Im Gegensatz zu "romantischen" Sozialtheorien beschränkte er die Möglichkeit schöpferischen Lebenssinnes der Berufsarbeit nicht nur auf handwerkliche und kleinbäuerliche Verhältnisse.(14) Es ging ihm auch besonders um die Verwirklichung der Arbeiterrechte auf Mitverantwortung und Mitbestimmung hinsichtlich des Arbeitsgeschehens.

Abschließend seien noch einige Punkte des Ergebnisses der vorliegenden Arbeit festgehalten:

1. Beim genauen Studium der BO 1936 und aller Vorkriegswerke Messners muß man feststellen, daß Ordnungsprinzipien der berufsständischen Ordnung in der Sozialpartnerschaft Österreichs sicher in mehr oder weniger klarer Weise weiterleben, wenn auch über die nicht mögliche volle Gleichsetzung kein Zweifel bestehen kann. Eine Sozialpartnerschaft, gewissermaßen im Sinne einer "Berufständischen Ordnung ohne Berufsstände", hat Messner nie angestrebt, auch wenn er die österreichische Entwicklung mit Interesse und Wohlwollen verfolgt hat. Berufsgemeinschaften als primäre, in der Leistung verbundene Glieder scheint Messner nie ganz aufgegeben zu haben. Die Gesellschaft im engeren Sinne bestand noch 1980 für Messner "aus den aufgrund von Eigenverantwortung und daher Eigenrechten ausgestatteten Einzelmenschen und kleineren Gruppen (Familie, Gemeinde, regionale Einheiten, Berufsgemeinschaften, freie Vereinigungen, die organisierten Interessenverbände)."(15)

2. Eine sehr schwierige Frage stellt die QA-Interpretation Messners dar: Theoretisch hat zwar Messner die nur mittelbare Betroffenheit des Staates durch die berufsständische Ordnung, die ja gesellschaftlicher Natur ist, betont, aber doch so stark die Vorteile für den Staat in spezifisch österreichischer Prägung (Seipel!) dargestellt, daß mehr oder weniger die Seipelsche Linie fortgeführt schien und der Eindruck einer echten QA-Empfehlung auch für eine Staatsordnung, mindestens für ein weitergehendes Autoritätsprinzip (QA 80!), verstärkt wurde.

3. Die Zitate zeigen, daß es Messner trotz der zumeist anerkannten Probleme mit den Parteien in der Ersten Republik um das demokratische Prinzip gemäß der christlichen Staats- und Gesellschaftsauffassung im österreichischen Weg ab 1933/34 ging. Jedenfalls schien es in seiner Konzeption (die den österreichischen Weg unterstützt hat) von unten nach oben gewährleistet, im Sinne einer Ergänzung der formalen Demokratie durch soziale Demokratie, wie auch immer die organisatorischen Konsequenzen ausgesehen hätten. Er hat eindeutig die konkrete Möglichkeit einer parlamentarischen Parteiendemokratie neben einer ständischen Demokratie nie generell ausgeschlossen, aber auf Umstände, Reife und Zweckmäßigkeit hingewiesen. Es darf nicht übersehen werden, daß Messner so doch wissenschaftlich-rational mitgewirkt hat, das demokratische Prinzip im "Ständestaat" nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Sein "Maßhalten" dabei ist schließlich auf die historisch äußerst schwierige Frontstellung des Dollfuß-Staates zurückzuführen. So wie für die Christliche Arbeiterbewegung kann mit den Worten Pelinkas gesagt werden, daß sich Messner im "Rahmen eines Systems, dessen demokratische Legitimität zumindest äußerst fragwürdig war"(16), für die Demokratie seiner spezifischen Vorstellung, besser gesagt, für "die Demokratie in ihrem überzeitlichen Sinne"(17) entschieden eingesetzt hat. Messner blieb seiner Kritik an der "reinen" Stimm-Demokratie mit ihren echten Gefahren durch Reformvorschläge auch nach dem II. WK treu.

4. Messner hat philosophisch die Haltung gegen Totalitarismus und Idealismus in Schrift und Wort fest durchgehalten, man muß ihm auch die im Rahmen der Möglichkeiten gehaltene sehr deutliche Distanz gegenüber dem Begriff des "Ständestaates" zugutehalten und das Dollfußbuch aufgrund der persönlichen Begeisterung für den ermordeten Kanzler und der historischen Umstände genauso gerecht beurteilen wie isolierte Stellen der BO 1936 im Gesamtkontext interpretieren.(18)

5. Es gibt daher keinen einzigen ernstzunehmenden Beleg für die Einstufung Johannes Messners als "Ideologe des Austrofaschismus". Es ist sachlich nicht einzusehen, daß neben letztlich mehr oder weniger totalitär ausgerichteten Strömungen auch die Messnersche Auffassung der berufsständischen Ordnung mit dem Ausdruck "Austrofaschismus" belegt wird, den schon bei Dollfuß sogar Wissenschaftler mit sozialdemokratischer Herkunft(19) ablehnen. Man sollte sich nicht von der "durch faschistische und ständestaatliche Ideologien"(20) verschuldeten Rufschädigung des berufsständischen Gedankens abhalten lassen, auch die Vorkriegswerke Messners zu studieren, weil uns hier einer der bedeutendsten Versuche der realistischen Anwendung zeitlos gültiger Ordnungsprinzipien vorliegt und kein wirklichkeitsferner "dritter" Weg.


ANMERKUNGEN

(1) CA 25; zit. nach der Verlautbarung des Apostolischen Stuhls 101 durch das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 29.

(2) Meßner (SF 4/1934) 569.

(3) Ders., Zur Österreichischen Staatsideologie, in: Monatsschrift für Kultur und Politik (Okt. 1936) 877.

(4) Ders. (BO 1936) 8.

(5) A. a. O., 17.

(6) A. a. O., 91.

(7) A. a. O., 190.

(8) A. a. O., 232.

(9) A. a. O., 243.

(10) Vgl. ders. (SF 5/1938) 688.

(11) Vgl. Rauscher, in: Aretz/Morsey/Rauscher (Hrsg.; 1984) 257: "Völliges Neuland war dies für Messner allerdings nicht. Von seinem Elternhaus her war er gewohnt, konkret zu denken, und auch seine Studien in München lenkten sein Interesse auf die sozialen Tatsachen."

(12) Messner (SF 7/1964) 629.

(13) CA 35; zit. nach der Verlautbarung des Apostolischen Stuhls 101 durch das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, 41.

(14) Vgl. Messner (1954) 326, Anm. 2.

(15) Ders., <Sozialethik>, in: Kath. Soziallex. (2/1980) 2679; der Verf. hat die dort offensichtlich falsch gesetzte Klammer nach "freie Vereinigungen" sinngemäß hinter "die organisierten Interessenverbände" verschoben.

(16) Pelinka (1972) 42.

(17) Meßner, Zur Österreichischen Staatsideologie, in: Monatsschrift für Kultur und Politik (Okt. 1936) 877.

(18) Vgl. diesbezüglich auch eine kritische Besprechung des Buches Silberbauers (1966) bei Nell-Breuning, O. v., Österreichs Katholiken und die Arbeiterfrage, in: StZ, 178. Bd. (1966) 152; zit. nach Weiler, in: Schambeck/Weiler (Hrsg.; 1992) 134: Gegen einige Redewendungen Messners aus jener Zeit könne man heute "Verschiedenes einwenden. Nicht nur ungehörig, sondern ungerecht aber ist es, sie als 'bedauerliches Zeugnis' dafür anzugeben, 'wie dem österreichischen Ständestaat ein katholisches Mäntelchen umgehängt wurde'".

(19) Vgl. in dieser Arbeit (IV. 2.) z. B. die Positionen H. Mommsens oder W. B. Simons.

(20) Meßner (NR 1950) 789.


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